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Verdrängen Minijobs reguläre Arbeitsplätze?
Minijobs verdrängen reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze – dieser These widerspricht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Aber wie verlässlich ist diese Behauptung?
von Gerrit Wustmann
Verdrängen Minijobs reguläre Arbeitsplätze?
© Volker Schlichting / 123rf

Deutschland geht es gut. Noch nie waren so viele Menschen in Beschäftigung wie heutzutage. Einerseits stimmt das. Auf der anderen Seite hat sich im Zuge der rot-grünen Agenda 2010 ein riesiger Dumpinglohnsektor gebildet, dem auch der Mindestlohn nicht viel anhaben konnte. Das heißt: Zwar haben die meisten Bundesbürger Arbeit. Aber viele verdienen dabei so wenig, dass sie kaum über die Runden kommen und später eine Rente beziehen werden, die sich nur auf Grundsicherungsniveau befinden wird. Sie werden in die Altersarmut rutschen.

Minijobs als Beschäftigungsmotor?

Grund dafür sind vor allem atypische Beschäftigungsmodelle wie Leih- und Zeitarbeit und Minijobs. Dieser gängigen Interpretation hat unlängst das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in seinem aktuellen Bericht „Arbeitsmarkt kompakt“ widersprochen – und zahlreiche Medien haben die positiv klingende Meldung unkritisch übernommen. Thomas Hetz, Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), stimmte dem IAB inhaltlich zu: „Das heute erschienene Handbuch des IAB bestätigt – wissenschaftlich fundiert – wieder einmal, dass die Zeitarbeit keine Stammbelegschaften verdrängt. Ganz im Gegenteil erleichtert die Zeitarbeit vielen Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt, schafft damit Arbeitsplätze und senkt die strukturelle Arbeitslosigkeit. Schließlich ist der Beschäftigungszuwachs in Deutschland in den vergangenen Jahren unter anderem auch der Zeitarbeit zu verdanken.“

Richtig ist – laut den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesarbeitsministeriums -, dass der Markt für sogenannte atypische Beschäftigung in den letzten Jahren nicht mehr weiter gewachsen ist, dass also nicht mehr im großen Stil reguläre Arbeitsplätze verdrängt werden. Richtig ist aber auch, dass die atypische Beschäftigung von den späten Neunziger Jahren bis ca. 2007 massiv zugenommen hat. Dass in diesem Zeitraum atypische Beschäftigungsverhältnisse normale sozialversicherungspflichtige Stellen verdrängt haben, ist eine Tatsache. Dass dieser Trend seit einigen Jahren nicht weiter zunimmt, ist begrüßenswert. Er ändert aber wenig am Status Quo, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen.

Interpretation des IAB zweifelhaft

Der Stand der atypischen Beschäftigungsverhältnisse ist zu hoch. Insbesondere im Einzelhandel, in Supermärkten und großen Ketten, wird auf Minijobber gesetzt. Dass in der Industrie Zeit- und Leiharbeiter in großem Stil permanent beschäftigt werden, dabei aber deutlich weniger verdienen als die Stammbelegschaft und unter unsichereren Bedingungen, ist vielfach belegt. Dass genau dieser Effekt großen Einfluss auf die auseinanderklaffende Wohlstandsschere in Deutschland hat, gilt ebenfalls als unstrittig. Die Aussage von Thomas Hetz kann man so folglich nicht stehen lassen. Es stimmt faktisch nicht, dass atypische Beschäftigung „keine Stammbelegschaft verdrängt.“ Es stimmt allenfalls, dass derzeit keine weitere Verdrängung stattfindet, nachdem das viele Jahre lang der Fall war.

Der von Hetz und dem IAB bejubelte Beschäftigtigungszuwachs ist unterm Strich teuer erkauft. Die seit vielen Jahren stagnierende Lohnentwicklung in Deutschland und die für viele Millionen Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen unsichere Lage, die kaum eine Zukunftsplanung ermöglicht, gefährden nicht nur die Binnenwirtschaft und den Gesamtwohlstand. Sie können langfristig auch zu einer Gefahr für den sozialen Frieden werden, wenn abgehängte Bevölkerungsgruppen zur Wahl rechter bis rechtsradikaler Parteien tendieren – ein Effekt, der oft zu beobachten ist, wenn das soziale Gleichgewicht kippt.

von Gerrit Wustmann

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