Am Dienstag sprach der BGH ein Urteil, über das man sich beim Ärzte-Bewertungsportal Jameda nicht allzu sehr freuen dürfte. Der Anbieter muss die Daten der Klägerin, einer Dermatologin aus Köln, löschen. Sie war ohne ihre Einwilligung auf dem Portal erschienen. Neben ihrem Profil mit diversen negativen Bewertungen, hatte Jameda Profile von Konkurrenten in unmittelbarer Umgebung eingeblendet. Diese hatten für die Profile allerdings gezahlt. Mit dem Effekt, dass ihre Profile nicht durch Konkurrenzwerbung ergänzt wurden.
Sind Bewertungsportale im Internet „Schutzgelderpressung“?
Im Gespräch mit Spiegel Online hat die Klägerin zudem Kritik an „persönlich verletzenden“ Kommentaren auf ihrem Profil geübt. Weiter sagte sie: „Es schreibt nur ein kleiner Teil der Patienten Bewertungen bei solchen Bewertungsportalen. Jameda ist eine Plattform für Patienten, denen man es nie recht machen kann.“ Das Geschäftsmodell von Jameda bezeichnete sie als „eine Art Schutzgelderpressung“.
Für Verbraucher stellt sich nicht nur in diesem Kontext die Frage, welchen Mehrwert Bewertungsportale im Internet überhaupt bieten. Solche Portale gibt es zu allen nur denkbaren Branchen und Bereichen. Restaurants, Einzelhändler, Hotels, Dienstleister, Ärzte, sogar Lehrer können von den Nutzern anonym bewertet werden. Die Theorie sieht so aus: Wenn man unsicher ist, ob ein Anbieter gut ist oder nicht, besucht man das entsprechende Bewertungsportal und findet anhand der Urteile vorheriger Kunden oder Patienten heraus, ob sich ein Besuch lohnt. Das funktioniert ähnlich wie die Produktbewertungen bei Onlinehändlern, die Bewertungskriterien sind, wie auch bei Jameda, teils sehr detailliert. Aus der Vielzahl der Meinungen soll sich ein möglichst ausgewogenes Bild ergeben.
Nutzerbewertungen können verzerrtes Bild liefern
Ob das in der Praxis wirklich funktioniert, darf bezweifelt werden. Der Grund dafür ist zum einen das Geschäftsmodell vieler solcher Portale, die ihr Geld mit zahlenden Nutzern verdienen. Diese können, wie auch im bei Jameda kritisierten Fall, kostenpflichtige Accounts anlegen, diese mit Bildern und Informationen füttern und ihr Profil zielgerichtet werblich nutzen. Das heißt: Wer zahlt hat einen Vorteil gegenüber allen, die nicht zahlen. Und je mehr zahlende Mitglieder es gibt, desto höher wird der Druck auf alle anderen, ebenfalls für ein besseres Profil Geld zu zahlen. Dabei bieten fast alle diese Portale keinen nennenswerte Eigenleistung, sondern lediglich eine (kostenpflichtige) Infrastruktur im Internet – das Ziel ist es natürlich, möglichst viele Dienstleister zu listen und sie davon zu überzeugen, dass sie mit einem Premium-Account besser dastehen. Das BGH-Urteil hat diese Praxis nun deutlich erschwert.
Aber nicht nur das Missverhältnis zwischen „normalen“ und Premium-Profilen sorgt für ein verzerrtes Bild beim Verbraucher. Sondern auch die Kommentare und Bewertungen. Erfahrungsgemäß ist es oft so, dass zufriedene Kunden seltener ihre Meinung im Internet kundtun. Es sind eher die Verärgerten und Frustrierten, die sich einmal Luft verschaffen wollen – ein ähnlicher Effekt wie bei Artikelforen und in Sozialen Netzwerken. Die Kritik der Klägern ist also durchaus berechtigt. Denn dieses Ungleichgewicht verzerrt regelmäßig die Ergebnisse und sorgt dafür, dass die Objektivität der Gesamtwertung generell zweifelhaft ist.
Verbraucher sollten Bewertungsportale also mit Zurückhaltung genießen und sie keinesfalls als einzige Quelle zur Meinungsbildung heranziehen. Wer solche Portale nutzt oder dort gar Bewertungen hinterlässt, muss sich außerdem bewusst sein, dass er mitunter Geschäftsmodelle unterstützt, bei denen es im Kern keineswegs um eine neutrale Informierung der Verbraucher geht.