Die neue Bundesregierung will das Rentenniveau vorerst bei 48 Prozent festschreiben. Dass das ziemlich wenig ist, das weiß man in Berlin natürlich. Man weiß auch, dass es für einen sehr beträchtlichen Teil der Arbeitnehmer in Deutschland eine ziemlich magere Rente bedeutet und dass Millionen Geringverdiener auch trotz des gesetzlichen Mindestlohns geradewegs in die Altersarmut und eine Rente auf Grundsicherungsniveau steuern. Mit anderen Worten: Wir steuern in Richtung einer sozialen Katastrophe.
Das Wundermittel dagegen lautet, mantrahaft wiederholt: Private Altersvorsorge. Großzügig staatlich gefördert mit der Riester-Rente, für die eine beispiellose politische PR-Kampagne aufgefahren wurde. Knapp 16 Millionen Riester-Verträge wurden abgeschlossen in dem naiven Glauben, damit könne man auf einen finanziell abgesicherten Lebensabend hoffen. Doch längst stockt das Geschäft, an dem letztlich nur einer glänzend verdient hat: Die private Versicherungsindustrie. Jeder fünfte Riester-Vertrag liegt heute auf Eis, das heißt: Es wird nicht weiter eingezahlt.
Private Altersvorsorge: Rohrkrepierer Riester-Rente
Woran liegt das? Nun, die Sparer haben nachgerechnet, auch weil zahlreiche Medienbeiträge und journalistische Recherchen ans Licht gebracht haben, dass Riester keineswegs das Glanzstück ist, als das es verkauft wurde. Die Versicherten wissen heute, dass die gesetzliche Rente ohne Not vor die Wand gefahren wurde, weil die Politik sich von den Lobbyisten der privaten Versicherer, die auf den großen Reibach spekulierten, haben beschwatzen lassen. Von diversen Interessenskonflikten und Politikern, die schon damals, als der Renten-Umbau begann, eng mit der Versicherungsindustrie verklüngelt waren, will ich jetzt gar nicht anfangen. Es ist ja alles längst bekannt.
Wer einen Riester-Vertrag hat, hat große Chancen darauf, dass er bereits enorme Summen komplett versenkt hat. Weil die Provisionen und Gebühren so hoch sind, dass sie die staatliche Förderung auffressen. Oder weil man (siehe Kleingedrucktes!) steinalt werden muss, bis man wenigstens das zurückbekommt, was man selbst eingezahlt hat. Und dann gibt es noch all die Arbeitslosen und Geringverdiener, denen man jahrelang vorgelogen hat, auch sie könnten von Riester profitieren. Die sich von ihrem kaum vorhandenen Geld noch mühsam etwas abgeknapst haben aus Angst vor einem Lebensabend in Armut. Und die nun wissen: Die paar Euro, die sie vielleicht rausbekommen, werden zum Teil auf die Grundsicherung angerechnet. Die meisten haben ein Minusgeschäft gemacht. Man kann auch sagen: Sie wurden gnadenlos über den Tisch gezogen und haben nun sich selbst als lebendiges Beispiel dafür, wie die Umverteilung von unten nach oben funktioniert.
Lebensversicherungen: ein sterbendes Geschäftsmodell
Dann gibt es noch die Lebensversicherungen. Auch so ein Geschäft, das gerade zusammenbricht, während die Versicherer mit allerlei schmierigen Tricks versuchen, ihre Kunden aus den hochverzinsten Altverträgen zu drängen, die sie vor zwanzig oder dreißig Jahren abgeschlossen haben. Die Anbieter reden sich heute gerne damit heraus, dass sie ja nicht hätten ahnen können, dass so eine lang andauernde Niedrigzinsphase kommt. Und man muss ihnen vehement entgegnen: Das ist nicht unser Problem, dass ihr damals euren Job nicht gemacht habt! Es wäre verdammt nochmal eure Aufgabe gewesen, auch solche Szenarien zu berücksichtigen!
Stattdessen sollen nun die Versicherten für den Bockmist geradestehen, der in den Managementetagen fabriziert wurde. Die Manager von damals genießen freilich längst ihren gut gepolsterten Lebensabend – gepolstert mit dem Geld der Versicherten, denen ihre Nachfolger nun mit Anlauf in den Hintern treten.
Nein, ich habe bislang keine private Rentenversicherung abgeschlossen. Ja, ich boykottiere dieses Geschäftsmodell komplett. Nicht nur, weil ich die private Versicherungsindustrie für eine der unsympathischsten Branchen überhaupt halte, die mitunter parasitäre Züge trägt in ihrer grenzenlosen Gier. Sondern vor allem aus zwei eher rationalen Gründen.
Warum man die private Altersvorsorge boykottieren sollte
Erstens: Eine private Renten-Zusatzversicherung lohnt sich nicht. Auch bei einem wirklich guten Vertrag kann mir niemand garantieren, dass dieser den wirtschaftlichen Entwicklungen der nächsten dreißig Jahre standhält, niemand kann mir garantieren, dass ich auch nur das, was ich selbst einzahlen würde, jemals wiedersehe. Das Risiko ist schlicht zu groß und die auf Verkauf getrimmten Versprechen den Anbieter sind, das wissen wir längst, keinen Pfifferling wert.
Zweitens: Auf Rendite gepolte Privatunternehmen haben in einem gesellschaftlich so elementar und fundamental wichtigen Sektor wie der Rente nichts, aber auch gar nichts verloren. Wie schädlich ihr Einfluss ist, haben die letzten fünfzehn Jahre zur Genüge bewiesen. Staatliche Förderungen gehören in den gesetzlichen Rententopf, nicht in private Taschen. Die gesetzliche Rente auf einem guten Niveau zu stabilisieren ist faktisch machbar. Einige unserer Nachbarländer machen vor, wie es geht. Eine Bürgerversicherung, die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze, die Loslösung von der Einflüsterungen der Privatwirtschaft, viel mehr braucht es dafür nicht.
Natürlich wird das dazu führen, dass die Versicherungsverbände aufheulen werden. Sie werden ihre PR-Armeen auf Politik und Presse loslassen und mit millionenschweren Kampagnen Horrorszenarien ins Land posaunen. Sie werden kratzen und drohen und jammern. Und wir haben dann nur eine Aufgabe: Sie zu ignorieren.