Laut einer GfK-Umfrage von 2017 liest jeder zweite Deutsche mindestens einmal pro Woche ein Buch. Das klingt, als wäre Deutschland eine Nation der Leser. Zugleich aber klagen sowohl der Buchhandel als auch die Verlage über beständig sinkende Verkaufszahlen und Auflagen, manch einer wähnt die ganze Buchbranche bereits in der Krise. Wie der Börsenverein des deutschen Buchhandels verkündete, sank der Umsatz 2016 um fast sieben Prozent. Wie passt das zusammen?
Es könnte daran liegen, dass längst nicht jeder in einer solchen Umfrage eine wahrheitsgemäße Antwort gibt – sondern eher die Antwort, die ihn in einem besseren Licht stehen lässt. Dass Umfragen anonym durchgeführt werden, ändert an diesem Verhalten offenbar wenig. Dieselbe Diskrepanz zeigt sich auch bei anderen Themen. Zum Beispiel wenn es um Fleisch geht. Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen sagt in Umfragen, sie seien bereit, mehr Geld für Fleisch auszugeben, das aus verantwortungsvoller Produktion stammt, die Rücksicht auf das Tierwohl nimmt. Zugleich liegen derartige Produkte in den meisten Supermärkten wie Blei in den Regalen, weshalb das Angebot überschaubar bleibt.
Dass Deutschland sowohl ein Bildungs- als auch ein Empathieproblem hat zeigt sich auch darin, dass Millionen Menschen wieder eine rechtsradikale Partei wählen und bei Demos „Absaufen!“ rufen, wenn es um die Frage geht, ob Flüchtlinge im Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet werden sollen. Zugegeben, es handelt sich dabei um eine laute Minderheit. Aber sie ist ein Symptom eben dieses Problems, dass das Lesen und damit die Bildung eine kleiner werdende Rolle spielt.
Was Lesen bewirkt
Dabei fügt sich jeder, der nicht liest, selbst Schaden zu. Dass das regelmäßige Lesen von Romanen, Gedichten, Sachbüchern bildet und zugleich das Sprachgefühl sowie die eigene Sprachkompetenz verbessert, liegt auf der Hand. Doch es gibt darüber hinaus weitere relevante Effekte. Im Jahr 2013 zeigte eine Studie von New Yorker Wissenschaftlern, dass Lesen die Empathie fördert – und zwar deutlich besser bei jenen, die anspruchsvolle Literatur (in dem Fall Tschechow) lesen als bei jenen, die sich mit seichter Unterhaltung (Pilcher) begnügen.
Eine Langzeitstudie der Yale Universität mit 3600 Probanden ergab außerdem, dass Leser länger leben. Wer sehr viel liest kann demnach sogar ganze zwei Jahre rausholen. Als wäre das nicht genug, sind Menschen, die lesen, auch noch erfolgreicher als Menschen, die nicht lesen, während erfolglose Menschen statistisch mehr Zeit vor der Glotze verbringen. Umfragen unter Führungskräften internationaler Unternehmen ergaben, dass die klugen Köpfe und Konzernlenker auch eifrige Leser sind. Sowohl von Belletristik als auch von Sachbüchern. Eine Untersuchung der Universität Padua konkretisierte das und wies nach: Wer viel liest verdient durchschnittlich 21 Prozent mehr als Menschen, die nicht oder nur sehr wenig lesen.
Zusammenhang zwischen Lesen und Erfolg ist erwiesen
Eine andere Untersuchung zeigte: In Haushalten mit niedrigen Einkommen wird tendenziell wenig, in solchen mit hohem Einkommen viel gelesen. Die Interpretation, dass arme Menschen sich in einem Land voller öffentlicher kostenloser Bibliotheken keine Bücher leisten können, geht offensichtlich fehl. Es ist hingegen ein weiterer Nachweis für den Zusammenhang zwischen Leseverhalten und Erfolg.
Und das allerbeste daran: Lesen macht Spaß! Eifrige Leser wissen, dass es kaum eine schönere Art gibt, sich die Zeit zu vertreiben, als mit einem guten Buch. Wer das nicht glaubt, möge einen zweiten Blick auf die erwähnten Studien werfen – vielleicht gibt das ja einen kleinen Motivationsschub.