Inzwischen ist eine Entschuldung schon nach drei Jahren möglich, doch die Blitz-Insolvenz mit integrierter Schuldenfreiheit nach drei Jahren geht nach Meinung der Verbraucherschützer am Bedarf der überschuldeten Verbraucher vorbei. Auch deshalb wird sie nach den neuesten Zahlen wohl kaum genutzt.
Reform geht an Realität vorbei
Allein im vergangenen Jahr haben rund 115.000 Menschen Insolvenz angemeldet. Der Gang zum Insolvenzgericht ist für die Betroffenen sicher einer der härtesten in ihrem bisherigen Leben. Wer danach sechs Jahre lang das gesamte Einkommen oberhalb der Pfändungsgrenze an die Gläubiger abtritt, kann eine Restschuldbefreiung erwirken und den Neustart wagen.
Durch die Reform des Insolvenzrechts von 2014 wäre eine Schuldenbefreiung nun auch früher möglich. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit allerdings kaum Gebrauch gemacht. Rechtsexperten und Verbraucherschützer ziehen nun zum ersten Mal Bilanz, und diese fällt schlicht ernüchternd aus. Das harte Urteil ist eindeutig: Die neuen Regelungen sind praxisfern und bringen dem Verbraucher keine Erleichterung, argumentiert sowohl der Verband der deutschen Insolvenzverwalter als auch der Verbraucherschutz.
Viele Nullmasseverfahren
Die neue Regelung greift seit 01. Juli 2014. Sie besagt, dass Überschuldete schon nach drei Jahren schuldenfrei sind und ein Blitz-Insolvenzverfahren absolvieren können. Dazu sind innerhalb der drei Jahre mindestens 35 % der ausstehenden Forderungen an die Gläubiger und die Verfahrenskosten für Gericht und Insolvenzverwalter zu zahlen. Wenn das gelingt, kann eine Restschuldbefreiung beantragt werden.
Doch die wenigsten Verbraucher schaffen diesen großen Schritt. Bei 80 % der Fälle handelt es sich sogar um ein sogenanntes Nullmasseverfahren. Bei diesen Verfahren genügt die Insolvenzmasse nicht einmal, um die Kosten des Verfahrens zu decken.
Sollte die Blitz-Insolvenz nicht greifen, gibt es nach der Insolvenzrechtsreform von 2014 eine weitere beschleunigte Möglichkeit, das Verfahren zu verkürzen. Dadurch kann die Restschuld nach fünf Jahren erlassen werden, wenn innerhalb dieser Zeitspanne 35 % der Forderungen an die Gläubiger zurückgezahlt sind und wenn die Kosten des Verfahrens ausgeglichen sind. Diese wiederum machen eine beträchtliche Größenordnung aus und liegen für Insolvenzverwalter und Gericht noch einmal bei mindestens 35 % der verteilungsfähigen Masse. Damit hat der insolvente Verbraucher letztlich immer noch rund 70 bis 80 % seiner Schulden zurückzuzahlen. Doch wie sieht es eigentlich mit den anderen Erleichterungen aus, die die Reform von 2014 vorgesehen hatte?
Erfolg durch das neue Insolvenzplanverfahren
Das Insolvenzplanverfahren galt bis Mitte 2014 nur für Unternehmen. Dank der Reform können sich auch Privatpersonen darauf berufen. Anders als die verkürzte Insolvenz wird das Planverfahren von Verbrauchern offenbar gerne genutzt, berichtet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform.
Das Planverfahren kommt zur Anwendung, wenn noch Geld vorhanden ist und wenn Dritte wie Verwandte oder Freunde finanzielle Unterstützung leisten können. Das Verfahren sieht eine individuelle Festlegung der Zahlungshöhen und Zeiträume vor, die verbleibenden Schulden können dann etwas schneller erlassen werden.
Ohne Voraussetzungen geht es allerdings auch beim Planverfahren nicht, denn die Rückzahlungsquote muss noch höher sein als im Regelverfahren. Außerdem sind wiederum die Verfahrenskosten zu begleichen. Für Gläubiger ist das Planverfahren dagegen vorteilhaft, es bedeutet für sie, dass ihre Forderungen zu einem höheren Prozentsatz beglichen oder früher zurückgezahlt werden.
Für Betroffene ist es übrigens auch sinnvoll, sich außergerichtlich mit den Gläubigern zu einigen. Können mehr als 50 % der Forderungen gezahlt werden, ist dieser Weg möglich. Verbraucherschützer hätten es gerne gesehen, wenn die außergerichtliche Einigung noch etwas stärker unterstützt worden wäre. Diese Chance hat man nach Meinung des Verbands der Insolvenzverwalter nicht genutzt. Und letztlich sind 50 % der ausstehenden Forderungen auch nur von einer Minderheit der Schuldner zu begleichen, deshalb gilt auch diese Variante nur in wenigen Ausnahmefällen.
Altes Verfahren bleibt stark genutzt
Ein Jahr nach der Insolvenzrechtsreform zeigt sich, dass die Hürden letztlich zu hoch gesetzt sind, um die neuen Varianten für Schuldner attraktiv zu machen. Für die meisten insolventen Verbraucher dürfte es wohl bei dem langen Insolvenzverfahren von sechs Jahren bleiben. Teilweise hat die Reform die Stellung der Gläubiger sogar noch gestärkt, denn die Ausnahmen für eine Befreiung von der Restschuld wurden noch einmal verschärft. Unter ganz bestimmten Bedingungen sind beispielsweise Unterhalts- und Steuerschulden von der Restschuldbefreiung ausgenommen.
Geht es nach dem Verbraucherschutz und nach den Insolvenzverwaltern, muss es in Deutschland endlich eine ähnliche Regelung wie in ganz Europa geben. Danach soll nach drei Jahren die Möglichkeit gegeben sein, einen Neustart ohne Schulden zu wagen. Sofern die Mindestquote fallen würde, wäre das verkürzte Insolvenzverfahren durchaus ein Erfolg. Schon deshalb hoffen Insolvenzverwalter und Verbraucherschützer nach einem Jahr Insolvenzrechtsreform auf eine baldige einheitliche europaweite Lösung. Doch was bedeutet diese letztlich ernüchternde Bilanz eigentlich für den Verbraucher?
Kein leichter Neustart möglich
Die Insolvenzrechtsreform 2014 hätte für überschuldete Verbraucher ein Erfolg werden können. Doch es scheint, als sollten sich die Verbraucher von den hohen Hürden für das Blitz-Verfahren abschrecken lassen. Wer innerhalb von drei Jahren schuldenfrei sein will, muss eben rund 70 % seiner Schulden zurückzahlen, wenn man Forderungen und Verfahrenskosten addiert. Das scheint für die wenigsten Schuldner möglich zu sein. Und selbst die gestreckte Variante mit einer Restschuldbefreiung nach fünf Jahren kommt wohl nur in wenigen Fällen zum Tragen.
Berücksichtigt man allerdings, dass jede Überschuldung und jede Privatinsolvenz irgendwo eine Ursache hat und häufig im unbedachten Umgang mit Geld liegt, wird es verständlich, warum diese verkürzten Varianten offenbar am Bedarf der Überschuldeten vorbei entwickelt wurden. Ist eine Überschuldung mit der folgenden Insolvenz nämlich durch den leichtsinnigen und unbedarften Umgang mit Geld entstanden, stehen verstärkte Bemühungen des Schuldners, rund 70 % seiner ausstehenden Verbindlichkeiten innerhalb von drei Jahren an die Gläubiger zurückzuzahlen, in einem scharfen Widerspruch zu seinem vorher so leichten Umgang mit Geld. Das verkürzte Verfahren dürfte also nur für Schuldner greifen, die sich und ihr Verhältnis zu Geld in der Vergangenheit ernsthaft hinterfragen und die vielleicht auch bereit sind, ihr monatliches Einkommen im Interesse der Gläubiger durch einen zusätzlichen Nebenverdienst zu erhöhen. Solange diese Bereitschaft nicht gegeben ist, läuft das verkürzte Insolvenzverfahren in vielen Fällen sicher ins Leere.