Hunderttausende Abmahnungen aufgrund von Urheberrechtsverletzungen werden in Deutschland jedes Jahr verschickt. Für die Kanzleien ist das ein einträgliches Geschäft. Aber viele dieser Abmahnungen erwischen die Falschen: Menschen, die gar nichts Unrechtes getan haben. Der Grund dafür ist die Störerhaftung. Wie funktioniert sie?
So funktioniert die Störerhaftung
Fast jeder Mensch hat in Deutschland ein eigenes W-LAN. Man nutzt es mit dem Laptop, dem Tablet, wenn man nach Hause kommt loggt sich das Smartphone automatisch ins heimische Netz ein. Smart-Home-Systeme sind ohne W-LAN nicht denkbar. Folgende Situation dürfte jeder kennen: Freunde kommen zu Besuch und fragen nach dem W-LAN-Passwort, um Datenverbrauch zu sparen. Natürlich gibt man es ihnen gerne. In den meisten Haushalten wird der Anschluss außerdem von mehreren Personen genutzt: Kinder, Verwandte. Nun kommt es zu einer Urheberrechtsverletzung über diesen Anschluss. Jemand lädt sich aus einer illegalen Quelle einen Film oder einen Song herunter. Und kurz darauf flattert eine Abmahnung ins Haus, die zur Zahlung einer Summe auffordert, die vierstellig sein kann. Adressiert an den Anschlussinhaber. Der aber weiß von nichts. Er kann längst nicht mehr nachvollziehen, wer wann seinen Anschluss wofür genutzt hat. Dem Gesetzgeber war das bisher egal.
Das gleiche Problem haben Besitzer von Restaurants, Bars, Geschäften. Viele schrecken vor einem offenen W-LAN als Serviceleistung zurück, weil sie Abmahnungen und hohe Kosten fürchten.
Warum wird abgemahnt?
Die Abmahnung selbst hat einen schlechten Ruf. Dabei ist sie ein legitimes und wichtiges Rechtsmittel. Wer viel Zeit und Geld in die Produktion eines urheberrechtlich geschützten Werkes investiert – sei es ein Film, ein Musikalbum, ein Buch oder etwas anderes -, der hat ein Problem, wenn dieses Werk auf Filesharing-Plattformen kostenlos für alle Welt verfügbar ist. Für kleinere Urheber kann es gar existenzbedrohend sein. Die Abmahnung ist eines der wenigen Mittel, um dagegen vorzugehen. Sie kann Filesharing im großen Stil zwar nicht verhindern, kann aber durch die veranschlagten Schadensersatzsummen einen Teil des Schadens kompensieren. Problematisch wird es nur dann, wenn diese Forderungen an Menschen gehen, die gar nicht Verursacher des Schadens sind.
Was ändert sich mit der Reform
Deshalb hat die Bundesregierung im Mai das Gesetz reformiert und die Störerhaftung abgeschafft. In Kraft tritt die Reform im Herbst diesen Jahres. „Aber ich zweifele daran, dass der Gesetzgeber sein Ziel, die Störerhaftung abzuschaffen, erreicht hat“, sagt Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies im Interview mit BBX. Er glaubt, dass Anschlussinhaber trotzdem noch ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, um einer Haftung zu entgehen, es sei auch möglich, dass das Gesetz noch einmal nachgebessert werden. Ob die Reform dafür sorgt, dass es auch in Deutschland mehr offene W-LAN-Netze geben wird, sei noch unklar, so Knies. Eine Verbesserung stellt die Reform aber in jedem Fall dar.