Ein Thema, das ein großer Teil der Arbeitgeber versucht, dezent unter den Tisch fallen zu lassen, sind Überstunden. In vielen Verträgen wird das Thema schlicht übergangen, mit der Folge, dass Arbeitnehmer nicht wissen, wann, in welchem Ausmaß und ob überhaupt Mehrarbeit vergütet wird.
Fehlende Dokumentation ist problematisch
Ebenfalls entscheidend bei der Handhabung der Überstunden ist deren Dokumentation. In Firmen, die über kein System verfügen, das die Arbeitszeit der Mitarbeiter aufzeichnet, müssen Angestellte sich selbst um die Dokumentation der geleisteten Arbeit kümmern. Das ist nicht ganz unproblematisch, denn die meisten Arbeitnehmer notieren ihren Arbeitszeiten nicht grundsätzlich von sich aus, sondern beginnen meist erst, wenn sich bereits eine hohe Anzahl zusätzlicher Stunden angehäuft hat. Dann jedoch stellt sich die Frage, was mit den bereits erbrachten Überstunden passiert – ist es legitim diese auf Basis der Arbeitsleistung zu schätzen?
Auch wenn die Nachweispflicht bezüglich der Mehrarbeit grundsätzlich beim Angestellten liegt, darf auch ein Gericht unter Umständen den Umfang bzw. das Mindestmaß der geleisteten Überstunden schätzen. Das ist dann der Fall, wenn deutlich ist, dass die Mehrarbeit auf Anweisung des Arbeitgebers stattgefunden hat.
Grundsätzlich Anspruch auf Vergütung?
Arbeitnehmer sollten wissen, dass das deutsche Arbeitsrecht keine grundsätzliche Vergütungspflicht für Überstunden vorsieht. Entlohnt werden muss die Mehrarbeit nur dann, wenn das auch von beiden Parteien beschlossen wurde. Oder aber wenn eine Vergütungspflicht nach § 612 I BGB besteht. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Arbeitnehmer auf Anweisung des Chefs Überstunden erbringen.
§ 612 I BGB: Vergütung von Überstunden gilt als stillschweigend vereinbart, wenn der Arbeitnehmer eine Vergütung für die geleistete Mehrarbeit erwarten darf.
Einen weiteren Richtwert bei der Frage nach Bezahlung der Überstunden liefert das Gehalt. Angestellte mit einem geringen Gehalt dürfen in aller Regel auch eine Entlohnung für Mehrarbeit erwarten.
Wenn der Teufel im Detail steckt
Wie aber kann mit Überstunden verfahren werden, wenn im Arbeitsvertrag keine eindeutige Wochenarbeitszeit festgehalten wurde? Was bedeutet die Formulierung, „in Vollzeit“? Einige Arbeitgeber halten mithilfe dieser Formulierung den Rahmen der zu leistenden Wochenstunden bewusst offen und versuchen so der Vergütung von Mehrarbeit zu entgehen. In vielen Fällen jedoch lässt sich bereits aus den im Arbeitsvertrag formulierten Aufgaben des Angestellten herauslesen, dass diese kaum in einer normalen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden erfüllt werden können und grundsätzlich Mehrarbeit anfällt.
Die gute Nachricht für Arbeitnehmer ist, dass eine solche Formulierung dem Chef nicht Tür und Tor öffnet und er sich nicht darauf berufen kann, dass der Angestellte ja nur die geschuldeten Tätigkeiten erfüllt habe, denen er mit der Unterzeichnung des Vertrags zugestimmt habe. Steht die Formulierung „in Vollzeit“ tatsächlich anstelle einer bestimmten Stundenzahl im Vertrag, kann nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes davon ausgegangen werden, dass die geschuldete Arbeitszeit bei einer Fünftagewoche mit acht Stunden pro Tag liegt. Diese werktägliche Arbeitszeit darf bei einer Fünftagewoche übrigens nicht überschritten werden.