Doch Fakt ist, dass das Argument mit dem Garantiezins in letzter Zeit zunehmend an Kraft verliert. Es ist vor allem der anhaltend niedrige Leitzins, der den Versicherern zu schaffen macht und es ihnen immer schwerer werden lässt, ihre Versprechen gegenüber den Kunden zu halten.
Reformpaket soll Aufschwung bringen
Nun hat die Bundesregierung angekündigt, den angeschlagenen Versicherern mit einem umfassenden Reformpaket unter die Arme zu greifen. Noch im März will das Bundeskabinett über das Gesetz abstimmen, um die Situation der Lebensversicherer möglichst schnell zu stabilisieren.
Doch der Plan der Bundesregierung bedeutet empfindliche Einbußen für Kunden einer Kapitallebensversicherung. Denn das Recht auf die Beteiligung an den Bewertungsreserven soll drastisch gesenkt werden. Für den Versicherten heißt das nichts anderes, als dass er weniger ausgezahlt bekommt, als ihm nach derzeitiger Regelung zusteht. Die Gewinne aus seinen Beiträgen bekommt er dann nie zu sehen.
Eine Streichung der Beteiligung an den Reserven bedeutet konsequenterweise eine massive Kürzung der Leistungen. Immerhin machen die Bewertungsreserven in der Regel 5 – 10 % des ausbezahlten Betrags aus, zitiert die WirtschaftsWoche Finanzexperten der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Um welche Reserven geht es?
Die Bewertungsreserven – auch „stille Reserven“ – sind Kursgewinne aus hochverzinsten Papieren. Sie bilden sich, wenn der Marktwert einer Kapitalanlage (wie Immobilie, Aktie, Zinspapier) über den Anschaffungspreis steigt. Bei Auszahlung der Lebensversicherung bekommt der Kunde die Papiere zu ihrem Nennwert (Summe ohne Kursgewinne) zurückgezahlt; von den Bewertungsreserven werden ihm derzeit 50 % ausgezahlt.
Die Gewinnbeteiligung an den Bewertungsreserven gibt es überhaupt erst seit 2008. Damals wurde sie vom Verbraucherschutz mit dem Argument durchgesetzt, dass diejenigen, deren Geld die Gewinne einbringt, auch an diesen beteiligt werden sollten.
Konsequenz des Vorhabens
Was aber bedeutet der Plan der Bundesregierung nun konkret? Im Kern soll die Beteiligung des Kunden an den Reserven fast komplett abgeschafft werden. Im Gegenzug sollen die Versicherten einen höheren Anteil an den Risikogewinnen der Versicherer bekommen.
Risikogewinne: Überschüsse, die Versicherungsunternehmen im Rahmen des reinen Risikoschutzes erwirtschaften. Damit die Unternehmen allen Verträgen gerecht werden können, wird beim Risikoschutz vorsichtig kalkuliert. Das Kapital, das nicht für die Auszahlung von Todesfallleistungen aufgebracht werden muss, wird als Überschuss an den Kunden ausgezahlt.
Außerdem sind noch weitere Maßnahmen geplant: Aktionären, die bei einem Versicherungsunternehmen sind, das Probleme hat, seinen Garantieleistungen nachzukommen, sollen keine Dividenden mehr vom Unternehmen bekommen.
Auf Seiten der Versicherer soll eine Reduktion der Abschlusskosten und der Provision vorgenommen werden. – Doch hier ist sicherlich die Frage berechtigt, ob die Kürzung der Provision wirklich ein Entgegenkommen der Versicherer ist. Denn Hand aufs Herz: Wenn es in Zukunft gerade mal schlappe 1,25 % Garantiezins auf die Lebensversicherung geben wird, für welche Leistungen genau soll der Kunde dann die Provision verrichten? Eine Provision übrigens, die selbst bei einer Kürzung noch beachtlich ausfallen würde. Derzeit beträgt die Abschlussprovision nämlich 4 % der Versicherungssumme.
Wie sollten Versicherte jetzt handeln?
Angesichts des Vorhabens der Regierung stellt sich Versicherten die Frage, ob eine schnelle Kündigung des Vertrags möglicherweise mehr Gewinn bringt, als wenn bis zum regulären Auszahlungszeitpunkt gewartet wird.
Generell gelten Kündigungen von Lebensversicherung als Verlustgeschäft. Denn der Rückkaufswert, den die Versicherer im Fall einer Kündigung zahlen, orientiert sich an den angesparten Beiträgen. Besonders wenn der Vertrag noch nicht sehr lange läuft, können diese enttäuschend gering ausfallen. Das liegt daran, dass mit den ersten Beiträgen in der Regel die hohe Provision sowie die Verwaltungsgebühren des Versicherungsunternehmens gezahlt werden. So spült die erste Ansparphase noch ernüchternd wenig in die Kasse des Versicherten. Zusätzlich werden im Kündigungsfall auch immer Stornogebühren erhoben. Bei Durchsetzung der Pläne der Bundesregierung sieht die Situation unter Umständen allerdings ganz anders aus und eine vorzeitige Kündigung kann sich rechnen.
Keine vorschnellen Kündigungen
Dennoch raten Experten von übereilten Kündigungen ab. Bisher gibt es weder einen Beschluss noch ein Gesetz. Allerdings muss bedacht werden, dass es möglicherweise eine Stichtagregelung geben wird, d. h. dass das Gesetz an dem Tag in Kraft tritt, an dem das Bundeskabinett die Kürzung der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven beschließt. Für den Versicherten würde eine solche Regelung bedeuten, dass ihm keine Zeit mehr bleibt, um den Vertrag so zu kündigen, dass er seine Beteiligung an den Reserven retten kann.
Ob eine vorzeitige Kündigung eine gute Entscheidung ist, muss daher individuell betrachtet werden. Ein Orientierungswert ist die Laufzeit des Vertrags: Läuft ein Vertrag nur noch wenige Monate, sollten Versicherte sich mit ihrem Versicherer in Verbindung setzen. Abhängig vom derzeitigen Rückkaufswert und den Leistungen beim regulären Ablauf der Versicherung muss immer im Einzelfall entschieden werden, ob sich eine Kündigung rechnet oder nicht.
Verträge, die hingegen noch einige Jahre laufen, sollten besser nicht gekündigt werden. Denn zum aktuellen Zeitpunkt weißt niemand, ob und in welcher Höhe Bewertungsreserven ausgezahlt werden.
Aber selbst, wenn der vorzeitige Austritt sich lohnt, gibt es eine weitere Hürde: Die Kündigungsfristen. Diese verhindern unter Umständen einen schnellen Ausstieg. Wer seine Beiträge nur einmal im Jahr zahlt, kann auch nur zum Ende des Jahres kündigen. Besser also, man begleicht die Prämien monatlich, denn dann bleibt eine Kündigungsfrist von einem Monat. Aber auch hier kann eine vorzeitige Kündigung sinnlos werden, nämlich dann, wenn es tatsächlich zu einer Stichtagregelung kommt.
Ein Schachzug gegen den Verbraucher
Verbraucherschützer sind anlässlich der Pläne der Regierung alarmiert. In einer Pressemitteilung des Bundes der Versicherten e. V. (BdV) heißt es, dass es bei Millionen von Altersvorsorgeverträgen zu erheblichen Verlusten kommen wird.
Der hysterische Schnellschuss der Regierung führt dazu, dass Milliardenbeträge aus den Altersvorsorgeverträgen der Verbraucher verschwinden. Die Regierung macht sich hier zum Handlanger der Versicherungsbranche. (Axel Kleinklein,Vorstandssprecher des BdV)
Letztendlich benötige die Versicherungswirtschaft kein Hilfspaket der Regierung, denn der Branche gehe es gut, ganz anders sehe es bei den Kunden aus, heißt es weiter.
Die Versicherer hingegen argumentieren mit der Herstellung von Gerechtigkeit, die nur durch diese Maßnahmen möglich ist. Es müssen Brücken über die Niedrigzinsphase gebaut werden, so der GDV-Chef (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.), Alexander Erdland, damit alle Versicherten das bekommen, was ihnen zusteht und spätere Generationen nicht leer ausgehen.
Die Präsidentin der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht), Elke König, äußerte im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen: „Das Prinzip der garantierten Leistung für die Versicherten muss Vorrang haben vor möglichst hohen Auszahlungen für einzelne Versicherungsnehmer“. Denn die Reserven gehören allen Versicherungsnehmern. Jeder, der eine Lebensversicherung abschließt wird beteiligt an einem Kapitalstock, der von allen Versicherungsnehmern aufgebaut wurde. Die Aufrechterhaltung der Beteiligung an den Bewertungsreserven bedeutet für diejenigen, deren Lebensversicherungen in nächster Zeit ausgezahlt werden einen finanziellen Vorteil. Faktisch würde aber nur ein Bruchteil profitieren: Ca. 7 Millionen Kunden würden in den Genuss der Auszahlung kommen – doch für die verbleibenden 88 Millionen Versicherungsnehmer entstünde ein Nachteil, argumentiert König.
Außerdem lenken die Versicherer ein, dass die Regelung nur für eine Übergangsphase gedacht ist. Hat sich der Leitzins wieder erholt, tritt auch automatisch wieder die alte Regelung in Kraft.
Niedergang eines Altersvorsorgemodells
Der Zusammenbruch der Lebensversicherungen kommt indes nicht überraschend. Man kann gar behaupten, dass es sich um einen allmählichen Niedergang handelt, der schon vor Jahren zu erkennen war.
Immer wieder ist es bei der Finanzierung der Lebensversicherung zu Problemen gekommen. Immer wieder haben die Versicherer ihre garantierten Leistungen gedrückt um auch bei künftigen Verträgen ihren Versprechen noch nachkommen zu können. Immer wieder musste auch der Gesetzgeber eingreifen.
Auf diese Weise hat die Lebensversicherung als Altersvorsorgemodell zunehmend an Attraktivität verloren, wie beispielsweise durch die Kappung des Steuerprivilegs im Jahr 2005. Von da an konnten Versicherte ihre Beiträge nicht mehr als Sonderausgaben absetzen und während bis dahin auch die Auszahlungen steuerfrei waren, müssen sie seither mit der halben Kapitalertragssteuer besteuert werden.
Entwicklung des Garantiezins‘ | |
---|---|
vor Juli 1986 | 3 % |
ab Juli 1986 | 3,5 % |
ab Juli 1994 | 4 % |
ab Juli 2000 | 3,25 % |
ab Januar 2004 | 2,75 % |
ab Januar 2007 | 2,25 % |
seit 2012 |
1,75 % |
Quelle: GDV
Der konstant niedrige Leitzins derweilen scheint dem Modell Lebensversicherung nun den Gnadenstoß zu geben. Die Anleihen werfen immer weniger Rendite ab und die Versicherer haben Schwierigkeiten genug Geld zu erwirtschaften um ihre Garantien einzuhalten. Die Konsequenz daraus ist, dass das Versprechen hoher Garantien nicht mehr gegeben werden kann – zumindest nicht lebenslang.
Zweifel sind also vor allem angebracht, weil niemand weiß, wie die Lebensversicherung in Zukunft funktionieren soll, denn der aktuelle Eingriff der Politik wird wieder nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Immer neue Eingriffe durch Versicherer und Gesetzgeber lassen die Frage aufkommen, wo die Sicherheit bleibt, die diese Anlageform so lange versprochen hat …