Erbschaften werden in Deutschland kaum besteuert – und Unternehmenserben werden zusätzlich begünstigt durch eine Vielzahl an Ausnahmeregelungen und Freibeträgen. Vor zwei Jahren übte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hieran grundsätzliche Kritik und forderte die Bundesregierung auf, das Gesetz zu reformieren. Die im Juni in letzter Minute beschlossene Reform wurde allerdings umgehend von Kritikern zerpflückt. Sie bringe kaum Verbesserungen und ändere an der Ungleichbehandlung so gut wie nichts, hieß es – und nun stellt sich auch noch der Bundesrat quer, indem er die Reform nicht absegnet.
Die Befürworter einer stärkeren Besteuerung von Erbschaften argumentieren oft mit Gerechtigkeit: Erbschaften, heißt es, seien leistungsloses Einkommen. Arbeit werde viel höher besteuert. Zudem zementiere eine lasche Erbschaftssteuer die wachsende Ungleichheit in Deutschland, da große Vermögen innerhalb der immer selben Kreise weitergegeben würden. Manch einer forderte gar eine Steuer von einhundert Prozent auf Erbschaften, einhergehend mit massiver Umverteilung. Dies wäre allerdings kaum mit dem Grundgesetz vereinbar, da es konfiskatorischen Charakter hätte. Anders sähe das bei einem sehr hohen Steuersatz oberhalb großzügiger Freibeträge aus.
Dass eine gesetzliche Lösung vor allem bei vererbten Unternehmen eine gewisse Flexibilität wahren muss versteht sich von selbst. Denn immerhin sind große Teile des Erbvermögens in Form von Waren, Gebäuden, Maschinen und weiteren Sachwerten im Betrieb – und deren Veräußerung könnte dessen reibungslose Fortführung verhindern. Nicht zuletzt deshalb gibt es in solchen Fällen großzügige und zinsfreie Stundungen. Das Potential, die Steuern zu erhöhen, ist zweifellos da.
Das Geld wurde doch schon versteuert!
Aber viele Menschen finden, dass die Erbschaftssteuer ungerecht ist und würden sie am liebsten ganz abschaffen. Dass Unternehmerverbände in diese Richtung argumentieren, ist nachvollziehbar. Aber denselben Tenor findet man auch unter Menschen, die vielleicht nur kleine Vermögen von wenigen Tausend oder Zehntausend Euro zu erwarten haben – und die weiterhin von hohen Freibeträgen profitieren werden.
Eines der Kernargumente lautet: Das Geld wurde doch schon versteuert – warum soll ich nun nochmal Steuern zahlen? Selbst Politiker von Union und FDP haben dieses Argument in der Vergangenheit ins Feld geführt. Sie sind traditionsgemäß dagegen, dass Erbschaften höher besteuert werden sollen. Bloß: Es ist ein Scheinargument, das bei näherem Hinsehen keine Substanz hat. Denn faktisch wird jegliches Einkommen mehrfach versteuert. Zuerst fallen Einkommens- und Lohnsteuern an. Später kommt die Mehrwertsteuer hinzu, sowie eine Vielzahl an Einzelsteuern, etwa im Fall von Tabak oder Benzin. Und beim Empfänger des Geldes beginnt dieser Kreislauf sofort wieder von vorne. Das ist nur natürlich – anders kann ein Steuersystem wie das unsere auch gar nicht funktionieren. Für den Erben ist die Erbschaft nicht mit einer eigenen Leistung verbunden – er erhält das Geld bzw. die Vermögenswerte ohne sein Zutun. Ein schlüssiges Argument, warum er davon nicht einen Teil an den Fiskus abführen sollte, gibt es nicht.
Unternehmen in Deutschland hoch subventioniert
Das zweite Kernargument ist noch einfacher: Die Erbschaftssteuer ist ungerecht. Aber ist sie das wirklich? Gerade bei vererbten Unternehmen darf man das in Zweifel ziehen. Denn: Die allermeisten Unternehmen in Deutschland profitieren regelmäßig von direkten und indirekten staatlichen Subventionen. Ein Teil kommt in Form von Fördergeldern, ein Teil in Form von Steuererleichterungen. Zuletzt investierte der Bund jährlich mehr als zehn Milliarden Euro an Steuergeldern in Förderungen und Subventionen für die private Wirtschaft. Im Detail werden die Posten im Subventionsbericht des Bundesfinanzministeriums aufgeschlüsselt.Zum Vergleich: Im Jahr 2013 lagen die Gesamteinnahmen des Bundes an Erbschafts- und Schenkungssteuern (von sowohl privaten aus auch Unternehmenserbschaften zusammen) bei gerade mal 4,3 Milliarden Euro. Die Subventionen übersteigern die Steuern hier also um ein Vielfaches. Und während jedes Unternehmen jegliche Subvention gerne mitnimmt, sind Steuererhöhungen gar nicht gerne gesehen. Dabei sind es genau diese Steuern, die die Grundlage dafür bilden, dass Subventionen überhaupt möglich sind. Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei den Steuer-Gegner also ziemlich weit auseinander.
Die Unternehmer- und Arbeitgeberlobby führt regelmäßig ein weiteres Argument ins Feld: Höhere Steuern bedrohen Arbeitsplätze. Einen Beleg dafür liefern sie nicht – weil es keinen gibt. Das Argument ist eine ebensolche Nebelkerze wie die Behauptung, der Mindestlohn würde Arbeitsplätze kosten (was sich, wie wir wissen, auch nicht bewahrheitet hat).