Die Debatte um das Thema Altersarmut hat vor dem Hintergrund geplanter Rentenreformen ein neues scheinbar düsteres Kapitel erhalten. Nach einer kleinen Anfrage der Linksfraktion im Bundestag legte das Arbeitsministerium Zahlen vor, die auf den ersten Blick erschreckend sind. Demnach erhielten Im Jahr 2016 rund 8,6 Millionen Rentner, also knapp 48 Prozent aller Rentner in Deutschland, weniger als 800 Euro monatlich. Das würde bedeuten: Schon heute krebst fast die Hälfte aller Rentner am Existenzminimum.
Rentenhöhe sagt wenig über tatsächliche Verhältnisse
Das hieße, dass die Altersarmut bereits heute unfassbare Ausmaße hätte. Noch dramatischer: Bei diesen Zahlen wurden zwar die Sozialversicherungsbeiträge, die Rentner zahlen müssen, schon herausgerechnet. Nicht aber die Steuern. Das ist allerdings kaum verwunderlich. Denn 800 Euro monatlich ergeben 9600 Euro im Jahr, während der Steuerfreibetrag bei 9000 Euro liegt. Im Klartext: Wessen Rente in diesem Bereich liegt, der zahlt ohnehin keine oder so gut wie keine Steuern.
Die Linkspartei und auch mehrere Medien skandalisieren diese Zahlen nun und tun so, als würden sie die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln. Ein effektiver Aufreger, der Aufmerksamkeit und Klicks garantiert. Dabei sollte man schon im Ansatz über die Diskrepanz stolpern, dass in der Altersgruppe derer, die älter als 65 Jahre sind, nur knapp drei Prozent ihre Rente mit staatlicher Grundsicherung aufstocken. Wo sind die übrigen 45 Prozent?
Die Antwort ist simpel: Die Höhe der gesetzlichen Rente sagt wenig bis nichts über die tatsächlichen Verhältnisse von Rentnern aus. Angespartes Vermögen wird ignoriert. Immobilien und anderer Besitz wird ignoriert. Mögliche Einkünfte neben der Rente werden ignoriert. Private Vorsorge wird ignoriert. Ob die Betroffenen Singles sind oder in einer Ehe oder Familie leben wird ignoriert. Aber all diese Faktoren sind maßgeblich um zu beurteilen, wie gut oder schlecht es einem Rentner finanziell geht. Aufschlussreicher sind die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, das neben der Rente auch weitere der genannten Faktoren berücksichtigt. Demnach waren 2015 rund 18 Prozent der Rentnerinnen und 15 Prozent der Rentner armutsgefährdet. Ein beträchtlicher Teil davon liegt aber angesichts der Zahlen noch deutlich über dem Grundsicherungsniveau.
Große Rentenreform könnte Altersarmut verhindern
Laut Berechnungen des DIW auf dem Jahr 2017 könnten bis 2036 rund zwanzig Prozent der Rentner armutsgefährdet sein. Betroffen wären in erster Linie Personen mit geringer Qualifizierung, die entsprechend wenig Geld verdienen. Ob das tatsächlich so kommen wird, lässt sich aber aktuell nicht sagen und hängt sowohl von der Lohnentwicklung als auch der Rentenpolitik ab. Dass das Risiko für Altersarmut steigt ist allerdings Fakt.
Die aktuell angedachten Rentenreformen werden daran nichts ändern. Notwendig wäre eine tiefgreifende Reform, die sich auch an unseren Nachbarländern Österreich und Schweiz orientiert. Um die gesetzliche Rente auf ein sicheres Fundament zu stellen, müsste eine Bürgerversicherung eingeführt werden, in die alle einzahlen – auch Beamte und Selbständige. Zugleich müsste die Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft und eine Mindest- und Höchstrente eingeführt werden. Damit ließe sich das Rentenniveau deutlich steigern. Zugleich wären sogar Beitragssenkungen denkbar. Doch danach sieht es aktuell nicht aus. Im Gegenteil. Die Politik wagt sich nicht an eine große Reform, sondern plant mit einer Rentenstabilisierung auf niedrigem Niveau und der Option, die Beiträge auf zwanzig Prozent des Bruttogehalts anzuheben.