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Rente: Vorsorgeatlas Deutschland liefert verzerrtes Bild
Der aktuelle Vorsorgeatlas Deutschland legt dar, wie es um die Rente bestellt ist. Zwar sei die gesetzliche Rente weiterhin eine stabile Basis, jüngere kämen um private Vorsorge aber nicht herum. Doch die Message ist mit Vorsicht zu genießen...
von Gerrit Wustmann
Rente: Vorsorgeatlas Deutschland liefert verzerrtes Bild
© Lightstar59 / iStock

Forscher der Universität Freiburg haben in Kooperation mit Union Investment den diesjährigen Vorsorgeatlas Deutschland vorgelegt. Die umfangreiche Studie beschäftigt sich mit der Frage, in welchem Zustand sich das deutsche Rentensystem befindet, und stellt Prognosen für die Zukunft an. Der Studie zufolge soll die gesetzliche Rente noch bis über das Jahr 2030 hinaus der wichtigste Grundpfeiler des Rentensystems bleiben. Die jüngere Generation müsse aber zusätzlich vorsorgen, um ihren Lebensstandard halten zu können. Insgesamt, so die Studienautoren, sei die Rente in Deutschland in einer guten Verfassung. Grundlegende Änderungen seien nicht erforderlich. Damit ist die Studie auf einer Linie mit der regierenden CDU.

Die Rente ist sicher?

Um die Rente, so heißt es, müsse sich hierzulande niemand sorgen. Angesichts faktisch ansteigender Altersarmut insbesondere bei Geringverdienern, verwundert so eine Aussage. Im Schnitt, so die Studie, hätten die Rentner im Alter rund 48 Prozent ihres Durchschnittsbruttolohns zur Verfügung, das seien 1070 Euro. Bei der heute jungen Generation seien es aber nur noch rund 38 Prozent, so dass eine Lücke von knapp 800 Euro entsteht, die mit privater Vorsorge aufgefangen werden soll. Für Gut- und Durchschnittsverdiener mag das stimmen. Geringverdiener, die kaum mehr als den Mindestlohn erhalten, eine fragmentierte Erwerbsbiografie haben und möglicherweise zu früh in Rente gehen, werden im Alter aber so oder so auf Leistungen aus der Grundsicherung angewiesen sein. Von privaten Zusatzprodukten wie Riester profitieren sie so gut wie gar nicht.

Die Haltung der Studienautoren, nach der alles gut und keine Veränderung notwendig sei, hat einen simplen Grund: Es handelt sich hierbei nicht um unabhängige Wissenschaft. Der Vorsorgeatlas Deutschland ist vielmehr eine offene PR-Aktion der privaten Versicherungsindustrie. Auftraggeber ist mit Union Investment eine private Investmentgesellschaft, zu deren Kunden Versicherungsunternehmen zählen; außerdem vertreibt das Unternehmen private Altersvorsorgeprodukte. Ebensowenig unabhängig sind die Studienautoren aus Freiburg unter der Leitung von Dr. Bernd Raffelhüschen, der seinerseits Aufsichtsratsmitglied der ERGO Versicherungsgruppe und als Berater für die Victoria Versicherung tätig ist. Zudem arbeitet er für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), einen neoliberalen Thinktank.

Vorsorgeatlas ist PR-Aktion der Versicherungsindustrie

Seine enge Vernetzung mit der Versicherungswirtschaft bei gleichzeitiger politischer Lobbytätigkeit ist in diesem Zusammenhang problematisch. Dass der Vorsorgeatlas für die private Altersvorsorge plädiert ist angesichts seines werblichen Hintergrundes einleuchtend. Die Präsentation als wissenschaftliche Studie dürfte für zahlreiche Rezipienten aber irreführend sein. Denn die tatsächlichen Probleme des deutschen Rentensystems werden ausgeblendet.

So ist zu erwarten, dass auch in den kommenden Jahren die gesetzliche Rente weiter abschmelzen wird – zugunsten der privaten Versicherungsindustrie, die geschickte Lobbyarbeit betreibt. Tatsächlich wird das Rentensystem dadurch ohne Not in eine Schieflage gebracht. Den Grundstein dafür legte die ehemalige rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder. Würde die Bundesregierung hingegen eine Bürgerversicherung einführen und zeitgleich die Beitragsbemessungsgrenze abschaffen, dann ließe die gesetzliche Rente sich wieder auf ein stabiles Fundament stellen. Es wäre sogar möglich, den Rentenbeitrag zu senken und, wie es einige unserer Nachbarländer vormachen, eine Mindestrente einzuführen, die Altersarmut verhindert. Doch das wäre eine Politik gegen die Pläne der privaten Versicherungen. Sozial verträgliche Reformen wären eine Gefahr für deren Rendite.

Fazit: Die Behauptung des Vorsorgeatlas, in der Rente sei alles gut und Veränderungen nicht notwendig, ist faktisch nicht haltbar. Es ist eine interessengeleitete Aussage. Ohne tiefgreifende Reformen zur Stärkung der gesetzlichen Rente wird die Altersarmut in den kommenden Jahrzehnten die soziale Schieflage in Deutschland noch weiter verschärfen.

von Gerrit Wustmann

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