Immer wieder heißt es, dass die Sozialkassen klamm sind. Immer wieder müssen die Bürger in diesem elementar wichtigen Bereich Einschnitte hinnehmen. Mehrfach wurde in den letzten Jahren die Rente direkt oder indirekt gekürzt. Zugleich wird oft von möglichen Beitragssteigerungen und der Notwendigkeit der privaten Vorsorge (zum Beispiel mit der Riester-Rente) gesprochen. Im Gesundheitsbereich ist es ähnlich: Die Kosten der Krankenversicherung für den Einzelnen steigen. Der Arbeitgeberbeitrag wurde eingefroren, so dass sämtliche zukünftigen Beitragserhöhungen von den Versicherten zu tragen sind. Hinzu kommt, dass schon jetzt zu vielen Medikamenten und auch Behandlungen eine Zuzahlung geleistet werden muss. Vor allem für chronisch Kranke kann das verheerend sein. Und sehr teure Leistungen wie den Zahnersatz müssen die Versicherten fast gänzlich selbst bezahlen – oder eine private Zusatzversicherung abschließen, was wiederum die laufenden Gesundheitskosten erhöht. Viele von denen, die aus genau diesem Grund in die private Krankenversicherung gewechselt sind, ächzen nun unter exorbitanten Beitragserhöhungen im Alter.
Ist die Bürgerversicherung die Lösung?
Unterm Strich sorgt all das für eine Zwei-Klassen-Medizin. Wer wenig Geld hat, hat kaum eine Chance, mehr als die Basisleistungen zu erhalten. Viele Menschen empfinden das als ungerecht. Die Bürgerversicherung könnte das Problem theoretisch lösen. Denn bislang ist es so, dass alle gesetzlich Versicherten einen bestimmten Anteil ihres Einkommens in die Kranken- und Rentenkasse einzahlen müssen. Allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag, der so genannten Beitragsbemessungsgrenze. Wer über diese Grenze hinaus verdient, dessen Versicherungsbeiträge werden eingefroren. Im Ergebnis zahlen sehr gut verdienende Bürger prozentual also einen kleineren Teil ihres Einkommens für Gesundheit und Rente als Gering- und Normalverdiener.
Bei der Bürgerversicherung müssten restlos alle Bundesbürger in die gesetzlichen Kassen einzahlen. Auch Beamte und Freiberufler, auch Menschen, die sich lieber privat versichern würden, wären gezwungen, ins gesetzliche Sozialversicherungssystem einzuzahlen. Und einige Modelle würden hierfür nicht nur das Arbeitseinkommen, sondern sämtliche Einkommensquellen, also beispielsweise auch Kapitalerträge, heranziehen. Private Zusatzversicherungen wären optional weiterhin möglich, etwa wenn jemand im Krankenhaus ein Privatzimmer oder eine Chefarztbehandlung wünscht. Wie heute auch schon.
Vorteile und Kritik
Der Vorteil der Bürgerversicherung wäre ein Zuwachs an Gerechtigkeit. Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze (an die sich keine der Parteien rantraut) könnte zusätzlich dafür sorgen, dass die Finanzen von Rente und Gesundheit auf lange Zeit gesichert wären. Außerdem wären Beitragssenkungen denkbar. Umfragen in den letzten zehn Jahren haben mehrfach ergeben, dass eine Mehrheit der Bürger die Bürgerversicherung für eine gute Idee hält.
Gegner des Konzeptes sind in erster Linie die privaten Versicherungsunternehmen, die Einbußen befürchten und auch vor Arbeitsplatzverlusten warnen, sowie Arbeitgeberverbände, da diese höhere Ausgaben beim Arbeitgeberanteil befürchten.