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Wir brauchen höhere Steuern
Es ist Wahlkampf. Und die Parteien übertrumpfen sich wieder einmal mit Steuersenkungs-Versprechen. 15 Milliarden Euro will Finanzminister Schäuble den Bürgern zurückgeben. Dabei sind die Steuern nicht zu hoch. Sie sind zu niedrig. Ein Kommentar
von Gerrit Wustmann
Wir brauchen höhere Steuern
© Jrg Stber / 123rf

Steuern zu senken ist populär. Im Wahlkampf funktioniert das immer gut: Dem Bürger Entlastung versprechen. Aber auf welcher Grundlage? Die Steuerquote in Deutschland liegt im Jahr 2017 bei knapp 22 Prozent. Und damit im Mittelfeld, verglichen mit anderen europäischen Ländern. Das ist minimal mehr als vor zwanzig Jahren. Der durchschnittliche Einkommenssteuersatz beträgt knapp 25 Prozent, bei gemeinsam veranlagten Paaren sind es kaum 16 Prozent. Ist das wirklich zuviel? Oder kommt es den Menschen nur so vor, weil die Gesamtabgabenlast inklusive der Sozialabgaben fast das Doppelte beträgt?

Das Gefühl von Ungerechtigkeit

Im oberen Bereich sind die Steuern über Jahrzehnte immer wieder gesenkt worden, das beste Beispiel ist der Spitzensteuersatz, der heute zwar recht früh greift, dafür aber nur noch 42 Prozent beträgt. Auch der Steuerfreibetrag wird kontinuierlich angehoben. Ab 2018 liegt er bei 9000 Euro im Jahr, was Geringverdiener entlastet. Diesen machen allenfalls die Verbrauchssteuern zu schaffen, während die durchschnittliche Steuerlast sinkt, je mehr man verdient. Das wird als ungerecht empfunden.

Zum Ungerechtigkeitsgefühl trägt aber auch eine oft verzerrte mediale Darstellung bei. Wer kennt nicht die Aufrechnungen, nach denen man von Januar bis Juli „für den Staat“ arbeitet – und erst danach für sich selbst. Nur stimmt das eben nicht. Denn „der Staat“ sind wir alle. Die Beiträge für Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zahlt man ein, um jene solidarisch zu unterstützen, die nicht oder nicht mehr einzahlen oder einzahlen können – und sie kommen jedem selbst zugute. Wer daran zweifelt möge Menschen aus Ländern ohne Krankenversicherung fragen.

Alle profitieren von höheren Steuern

Zwar ist es richtig, dass beträchtliche Steuersummen Jahr für Jahr verschwendet werden, wie der Bund der Steuerzahler regelmäßig belegt. Richtig ist aber auch, dass der Großteil der Steuern tagtäglich uns allen zugute kommt: Mit einer funktionierenden Infrastruktur; einem Sozialsystem, um das uns die ganze Welt beneidet; mit einer starken Wirtschaft und einer vielfältigen und lebhaften Kulturlandschaft, die so nur mit Hilfe staatlicher Förderung existieren kann.

Nein, das Problem sind nicht zu hohe Steuern. Das Problem sind zu niedrige Steuern. Uns fehlt eine Vermögenssteuer. Eine höhere Erbschaftssteuer könnte nachweislich der wachsenden Ungleichheit entgegenwirken. Eine Finanztransaktionssteuer könnte das immense Problem fataler Zockereien am Bankenmarkt eindämmen. Eine intensivere Kontrolle und Verfolgung von Steuerhinterziehung würde dem Staat (also uns allen) jährlich bis zu 50 Milliarden Euro zusätzlich einbringen. Eine härtere Haltung und Regulierung von Steuerparadiesen könnte die internationale Steuerkriminalität eindämmen, von der heute eine winzige Minderheit zu Lasten der Mehrheit profitiert. Und was noch besser ist: Hätte man den politischen Mut und Willen, all das umzusetzen – dann wäre es problemlos möglich, die Belastung kleiner und mittlerer Einkommen zu verringern.

In diesem Sinne: Wir brauchen Steuererhöhungen. Dringend.

von Gerrit Wustmann

2 Kommentare

  1. DEE
    19. Juli 2017, 13:38

    Hallo,
    ja ich habe jetzt schon mehrere Artikel von euch gelesen,
    unteranderem auch den wie hoch das Durchschnittseinkommen in
    verschiedenen Berufen sei…
    Da liegt ihr wirklich sehr weit daneben muss ich sagen,
    wenn ich daran denke was mein Bruder als „Handwerker“ verdient,
    auf jeden fall keine 31000 € im Jahr!
    geht mal arbeiten dann könnt Ihr „Journalisten“ auch mal über etwas
    schreiben das der Realität entspricht.
    Zu „zu niedrige Steuern“ sage ich nur, ihr habt ja anscheinend das
    Geld, ihr solltet tatsächlich mehr Steuern zahlen.
    Wenn ich zurück denke, als ich nach 5 Jahren Arbeit gekündigt wurde und
    mit dem Arbeitslosengeld nach zwei Monaten schon wirtschaftlich Ruiniert
    war, darüber sagt ihr nichts. Weil ihr leider keine Ahnung habt.
    Da kann man sich nichts mehr leisten!
    Auto abgeben, Versicherungen kündigen, ab und an hat man auch nichts
    zum Essen.
    Nach zwei Monaten Arbeitslosigkeit hat dieses System dafür gesorgt dass
    ich leider keine Chancen mehr habe in die Mittelschicht zu kommen.
    Nach zwei Monaten wohl gemerkt!
    Ich freue mich mittlerweile dass mir klar wurde, das die Mittelschicht auch
    weiter schrumpfen wird.
    Schauen wir mal wo wir in den nächsten zwei Generationen stehen.
    Ich hoffe da sagt auch noch jeder dem es da noch gut geht, man bräuchte höhere Steuern und ich hoffe sehr dass gerade solche Leute die ein Finanzsystem so Oberflächlich betrachten und sich jetzt noch wie Maden im Speck fühlen können, die gleichen schweren finanziellen Probleme haben
    wie die Leute, die 40 std. in der Woche schwer arbeiten und mit einem
    Verdienst bezahlt werden der an blanken Hohn erinnert.
    Ihr seid Verblendet, seht nur dass was ihr vor euch habt und dreht euch mit
    euren Entscheidungen im Kreis.
    Mieten steigen!
    Nahrungsmittelerzeugnisse werden teurer!
    Versicherungen werden teurer!
    Ihr verpulvert unseren Wohlstand für eure Zukunftsfantasien die in
    jetziger Zeit leider nicht viel Sinn machen.
    Ich habe eine Frage an euch,
    wenn man so schnell in die Armut abrutscht wie ich nach
    zwei Monaten Arbeitslosigkeit, ist das nicht nur das Problem eines
    einzigen.
    Das ist auch euer Problem, denn ohne Mittelschicht gibt es keinen Wohlstand.
    Schreibt lieber mal Artikel die der Realität entsprechen, anstatt den Leuten
    vorzugaukeln wie Wunderbar doch alles noch funktioniert.
    Wohlstand muss verteilt werden! nicht für irgendwelche Zukunftsphantasien weggeschmissen werden, die in einer Krise nicht viel Sinn machen.
    Die reine Dekadenz.
    Rom ist auch untergegangen, dass hat auch keiner kommen sehen.
    Wir sind nicht besser, sowas kann schneller gehen als man meint.
    Auch wenn jeder meint, Europäer seien die Spitze der Evolution und hätten mit
    allem recht was sie sagen.
    Macht lieber eure Augen weiter zu und belügt noch so viele wie ihr könnt.
    Ich hoffe es rächt sich noch.

  2. BBX Redaktion
    19. Juli 2017, 15:13

    Sehr geehrter DEE,

    vielen Dank für Ihr ausführliches Feedback.
    Bitte beachten Sie, dass Durchschnittslöhne, die wir statistischen Erhebungen entnehmen, nicht bedeuten, dass jeder Vertreter eines bestimmten Berufes exakt so viel verdient. Selbstverständlich gibt es viele, deren Einkommen unter, aber auch viele, bei denen es über dem Schnitt liegt. Das ist entgegen Ihrer Annahme auch bei Journalisten so. Es gibt Gutverdiener mit Einkommen im oberen fünfstelligen Bereich, aber auch viele freie Journalisten, die kaum über die Runden kommen und bei Arbeitslosigkeit nicht einmal Anspruch auf ALG I haben.

    Dass Sie nach 5 Jahren Arbeit mit dem ALG I kaum über die Runden kommen, ist sehr bedauerlich und deutet darauf hin, dass Ihr Lohn niedrig war und das ALG entsprechend auch niedrig ist, Sie zudem keine Rücklagen generieren konnten. Mit den Steuern hat das allerdings nichts zu tun, denn die sind in den unteren Einkommensklassen ebenfalls niedrig. Der Eingangssteuersatz (ab 8820 Euro) liegt bei 14%.

    Über das Problem, dass viele Arbeitnehmer aufgrund zu niedriger Löhne von Armut und Altersarmut bedroht sind, haben wir mehrfach berichtet, ebenso über das Problem steigender Mieten. Die Forderung höherer Steuern im vorliegende Beitrag bezieht sich, wie Sie sehen können, u.a. auf den Spitzensteuersatz und die Erbschaftssteuer – also Steuern, die ausschließlich die oberen Einkommensklassen berühren. Und zwar ganz in Ihrem Sinne: Denn das Problem, um das es geht, heißt Verteilungsgerechtigkeit. Mit einer schrumpfenden Mittelschicht ist langfristig niemandem geholfen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Gerrit Wustmann / Redaktion BBX

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